Die Schlacht von Aspern/Essling
Als 18o9 der Krieg zwischen Frankreich und Österreich erneut ausbrach, blieb Wimpffen Generaladjutant des Generalissimus bei der ausrückenden Armee, obwohl der Erzherzog ihn als Chef des Generalstabes verwenden wollte. In dieser Funktion erlebte er die für Österreich katastrophalen ersten Schlachten auf deutschem Boden: Abensberg, Landshut, Eckmühl, Regensburg - lauter verlorene Gefechte und Schlachten. Nach wenigen Wochen befand sich die angreifende Armee des Erzherzogs auf dem Rückzug. Napoleon begann die Verfolgung der sich zurückziehenden Österreicher und stand bereits am 1o. Mai vor Wien - vier Wochen nach Beginn der Feindseligkeiten.
Die österreichische Armee hatte insofern noch Glück im Unglück als Napoleons Hauptkräfte sich auf dem rechten, südlichen Donauufer befanden, während die Truppen des Erzherzogs auf dem linken Ufer marschierten.
Inmitten der verlustreichen Schlachten auf deutschem Boden, erbat der Erzherzog vom Kaiser die sofortige Ablösung seines ihm attachierten Generalstabschefs bei gleichzeitiger Ernennung Wimpffens zum Chef des Generalstabs. Der Kaiser stimmte diesmal zu und beförderte Wimpffen gleichzeitig zum Generalmajor.
Wimpffen, der im Gefecht bei Hausen erneut verwundet wurde - unter ihm wurden zwei Pferde erschossen, beim Sturz seines Pferdes erhielt er einen Bajonettstich – begann sofort mit der Arbeit in engstem Zusammenwirken mit dem Erzherzog. Die Aufgabe hieß: Zurückführen der geschlagenen Verbände in den Raum Wien. Oscar Christe:“ Es wurde getadelt, dass der Erzherzog verhältnismäßig langsam in das Marchfeld (nördlich von Wien am linken Donauufer) heranrückte. Zweifellos hätte er seinen Marsch beschleunigen können, dann wäre dies aber, wie die Verhältnisse bei der Armee nun einmal lagen, mit einer erschütterten, außer Rand und Band geratenen Armee geschehen, mit der er niemals etwas hätte wagen können. Er musste sie in der Zeit von drei Wochen umbilden – und tatsächlich, die Armee, die in das Marchfeld rückte, war nicht mehr jene, die vor wenigen Wochen den Inn übersetzt hatte; nicht mehr eine nach neuen wohl zeitgemäßen Grundsätzen geschaffene, sonder das alte Theresianische Heer, aber als solches vollendet. Es mag Karl schwer geworden sein, wieder zu den Grundsätzen, die er längst schon als veraltet erkannt hatte, zurückkehren zu müssen, in den Regensburger Tagen hat es ihn mit Bitternis erfüllt, dass man ihn zu dem Wagnis gezwungen, dem Gegner mit einem Heer entgegenzutreten, das weder ein neues war, wie er es zu schaffen gedacht, noch das alte, sondern ein Zwitterding, mit dem keine Erfolge zu erzielen waren. Und so entschloss er sich, die Armee umzubilden, wie sie gewesen, und zu den alten, Führern und Soldaten vertrauten und geläufigen Form, zurückzukehren. So wurde nun, da sich rasche und leichtfüßige Märsche als dem Wesen der alten Armee widersprechend erwiesen hatte, mit dem Heer von Stellung zu Stellung gerückt, wie dies die Lineartaktik gefordert. Die Lager wurden abgesteckt und die Truppen in tunlichst gleichbleibender Ordre de bataille gelagert, die Befehle und Dispositionen enthielten wieder, wie früher, so genaue, bis ins kleinste Detail gehende Bestimmungen, dass es Unterführern jedes Denken oder selbständige Handeln, aber auch größere Fehler und Irrtümer erspart bleiben mussten.“
Die Niederlage einer über 200.000 Mann Armee hat, verständlicherweise, beim Kaiser und seinen Beratern Bestürzung hervorgerufen. Obwohl man wusste, dass der Erzherzog sich gegen den Krieg aussprach mit dem Hinweis auf die noch nicht abgeschlossene Heeresreform, stand er, selbstredend als Hauptschuldiger der Niederlage fest. Doch der Hauptschuldige an der Niederlage war in erster Linie die politische Führung und die „Kriegspartei“ in der Umgebung des Kaisers. Der Aussenminister Stadion, der das va banque-Spiel wagte in der Hoffnung, in Deutschland würde ähnlich wie in Spanien ein Volksaufstand ausbrechen, Preußen würde nach den ersten Erfolgen in den Krieg eintreten, die Engländer würden mit beträchtlichen Geldern Österreich unterstützen, Russland das Bündnis mit Napoleon aufkündigen und ebenfalls losschlagen - all diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Bei Aspern metzelten sich Sachsen und Österreicher gegenseitig mit teutonischer Wut nieder.
Wimpffen hat in seiner Funktion als Generaladjutant des Erzherzogs diesen hinsichtlich eines Volksaufstandes in Deutschland noch vor Beginn des Feldzugs ebenfalls ermuntert. Er berichtete Karl über seine Korrespondenz mit seinem Vetter, dem Kommandeur eines in spanischen Diensten stehenden Schweizerregiments, dem es im Verein mit der spanischen Guerrilla gelungen war, einen regulären Truppenverband der Franzosen in einer offenen Schlacht zu besiegen. Am 6. Juni 18o7 schlugen die Verbände des Generals Don Luiz de Wimpffen die Franzosen unter General Schwarz bei El Bruch in Katalonien, Tage später wiederholten sie den Sieg über den General Duhesme, der versucht hatte, die Scharte auszuwetzen. Die spanischen Geschichte verzeichnet die Schlacht bei El Bruch als den ersten Sieg über die napoleonischen Truppen, wenig später wurde bei Bailen eine ganze französische Armee unter General Dupont eingekesselt und zur Kapitulation gezwungen.
Es war übrigens dieser Vetter von Maximilian von Wimpffen, der der spanischen Zentraljunta , der „Junta Suprema Central en Aranjuez“ vorgeschlagen hatte, den Erzherzog Karl auf den spanischen Thron zu berufen, ein Vorschlag, den dieser bekanntlich ausschlug.
Doch nicht nur die Kamarilla um den österreichischen Kaiser, auch der Generaladjutant Wimpffen haben sich hinsichtlich eines Aufstandes in den deutschen Teilstaaten geirrt. Nur die Tiroler und einzelne Patrioten wie der Dichter Varnhagen von Ense oder der Major Schill dachten an einen „gesamtdeutschen“ Kampf gegen Napoleon, an einen „Volksaufstand“. Die Schlacht um das von den französischen Besatzungstruppen befreite Deutschland galt jetzt als verloren, nun ging es darum, so jedenfalls sah es Erzherzog Karl, die österreichische Monarchie zu retten. Und nicht Napoleon zu schlagen.
Während der Erzherzog einem geordneten Rückzug auf dem linken Donauufer den Vorzug gab, forderte der Kaiser wiederholt den Übergang des Heeres auf das rechte Donauufer, um Wien zu verteidigen.Auch der Erzherzog neigte zu einem Uferwechsel, doch unter dem Einfluß seines neuen Generalstabschefs, der in einer eigenen Operationsstudie für den Rückzug auf dem linken Ufer plädierte, änderte Karl seine Meinung. Zusammen mit Wimpffen und dem Generaladjutanten, Philipp Graf Grünne erarbeitete er einen Operationsplan, der im großen und ganzen das Zusammenziehen aller Kräfte aus Italien, Böhmen und Ungarn im Marchfeld, auf dem linken Donauufer nahe Wien vorsah. Ein Übergang über die Donau etwa in der Gegend von Linz wurde zwar nach wie vor erwogen, um den vorwärtsstürmenden Napoleon, wenn schon nicht den Weg zu verstellen, so doch ihm in den Rücken zu fallen, doch der Generalstabschef sprach sich unter Hinweis auf den demoralisierten Zustand der Armee und der unzureichender Mittel entschieden gegen solche Pläne aus. Also wurde der Marsch fortgesetzt, entsprechende Befehle ergingen an den Erzherzog Johann und den Erzherzog Joseph, Statthalter Österreichs in Ungarn. Aus dem vom Kaiser vorgeschlagenen Wettlauf um Wien ist ein strategischer Gesamtplan entstanden, in dessen Mittelpunk die Absicht stand, Napoleon nördlich von Wien entgegenzutreten und ihn – dies war der politische Teil des Plans – zu einem für Österreich nicht allzu schmerzlichen Frieden zu zwingen. Letztlich wurde vom Kaiser das Argument akzeptiert, dass eine geschlagene Armee, die in wenigen Wochen an die 45.000 Mann Verluste zu beklagen hatte, nicht in der Lage war, mit einem siegreichen Napoleon den Wettlauf nach Wien zu gewinnen.
Bei all diesen Überlegungen im Hauptquartier Karls stand Karls strategisches Credo,das er in verschiedenen Schriften zur "Kriegskunst" immer wieder betont hat: nicht die Zahl der Truppen oder die festgelegten Kriegsziele seien bei einem Feldzug entscheidend, sondern das Gelände, wo die Entscheidung stattfinden soll.Aus diesem Grund müsse einem Gefechts, einer Schlacht ausweichen, wenn das eigene Terrain nicht vorteilhaft sei. Und das Marchfeld erschien dem Erzherzog als das beste Terrain, sich Napoleon entgegenzustellen. In dieser Auffassung wurde er von seinem Generalstabschef bestärkt.
Am 22. -23.Mai 18o9 kam es zur Schlacht bei Aspern. Für seine Verdienste erhielt der Generalstabschef Maximilian von Wimpffen noch am Schlachtfeld das Kommandeurkreuz des Maria-Theresien- Ordens aus der Hand des Erzherzogs und, „zur Erinnerung an den ruhmreichen Tag“ dessen Degen, der sich heute im Museum von Wagram befindet. In der „Relation“ zur Schlacht von Aspern - eine Art Ergebnisbericht – rühmt der Erzherzog-Generalissimus die Verdienste Wimpffens beim errungenen Sieg über Napoleon und stellt fest,dass er “ in den einsichtsvollen Dispositionen und der rastlosen Verwendung des Chefs des Generalstabs Generalmajors von Wimpffen die erste Grundlage des Sieges „ erkenne. Ein seltener Vorgang in der Militärgeschichte, denn gewöhnlich werden die Generalstabschef nach einer gewonnenen Schlacht selten erwähnt, lediglich bei Niederlagen als Verantwortliche hingestellt.
Ludwig Reiter: „Wenn Napoleon seinen Generalstabschef Berthier, der an Wimpffen in keiner Weise heranreichte, nach der Schlacht von Wagram zum „Fürsten von Wagram“ ernannte, welchen Ehrentitel, welches Herzogtum hätte Maximilian von Wimpffen erhalten müssen? Wimpffen war...der kongeniale Ausarbeiter von Karls großzügigen Ideen, Plänen und Befehlen.“
Worin bestanden die Verdienste des Generalstabschefs Wimpffen in der Schlacht von Aspern?. In erster Linie wohl in der Harmonie, die zwischen dem Oberbefehlshaber Erzherzog Karl und seinem Generalstabschef bestand; der Hofkriegsrat und der Kaiser haben das vor Jahren geäußerte Ansinnen des Erzherzogs, ihm Wimpffen als Chef seines Stabes zuzuteilen abgelehnt. Statt Wimpffen wurden dem Erzherzog der General Mayer von Heldenfeld und nach dessen Ablösung der Generalmajor Johann von Prohaska, „ein redlicher, eher unauffälliger Arbeiter“ attachiert. Erzherzog Karl, den man als Schöpfer des Generalstabs der Armee der Monarchie bezeichnen darf, suchte jedoch einen Partner, der es verstand, seine operativen Pläne in Einzeldispositionen umzusetzen, der Organisationstalent besaß, der aber, wenn notwendig, argumentativ widersprach, gegenteilige Pläne entwarf und im Rahmen der Richtlinien seines Amtes selbständig handelte und sich durch persönliche Tapferkeit auszeichnete. Weder General Mayer noch Prohaska haben dieses „Anforderungsprofil“ in den Augen des Erzherzogs offensichtlich besessen.
Bereits auf dem Rückzug aus Deutschland erörterte der Erzherzog bei den täglichen Lagebesprechungen die einzuschlagende Strategie mit seinem Generalstabschef und seinem engsten Vertrauten, dem Generaladjutanten Graf Grünne. Wimpffen sprach sich, sehr im Sinne des Erzherzogs für eine Konzentration der Kräfte aus: alles sollte im Verlauf des Rückzugs auf Wien auf dem linken Donauufer versammelt werden: das von der Hauptarmee getrennte Armeekorps Hiller, das Napoleon auf dem rechten Donauufer vor sich hertrieb, das Armeekorps des Erzherzogs Johann aus Italien, das ungarische und das kroatische Adelsaufgebot unter Erzherzog Josef, alle diese Verbände sollten sich so bald wie möglich mit der Hauptarmee vereinigen, um zu gegebener Zeit Napoleon mit der gesamten Streitmacht entgegentreten zu können.
Der Kaiser hätte es jedoch nach wie vor gern gesehen, wenn die sich auf Wien zurückziehende Hauptarmee einen Flussübergang gewagt hätte, um den vorwärtsstürmenden Truppen Napoleons in den Rücken zu fallen, diese anzugreifen und die Nachschublinien der Franzosen zu stören und nicht zuletzt, Wien vor einer französischen Besetzung zu schützen. Der Erzherzog verhielt sich diesen Plänen gegenüber aufgeschlossen. Gegen den Widerstand seines Stabschef, der den Donauübergang unter den gegebenen Umständen für zu gefährlich ansah, wurden Pläne ausgearbeitet, bei Linz das Donauufer zu wechseln. Wimpffen verfasste daraufhin eine Denkschrift, in der er nochmals vor den Gefahren eines Scheiterns eines Donauüberganges warnte. Er plädierte erneut für eine Kräftekonzentration, die „Schäferstunde“, die Napoleon der demoralisierten österreichischen Armee gewährt habe, sollte zum Sammeln aller verfügbaren Kräfte genutzt werden.
Nach Wagram wurde Wimpffen vorgeworfen, er habe mit dem Satz „Fabius rettete Rom, Daun Österreich nicht durch Eile, sondern durch Zaudern“, den ohnehin zaudernden, ja den ständig um den Bestand der Monarchie bangenden Erzherzog negativ beeinflusst. Menge schreibt: „Richtiger müsste es heißen, Daun rettete Preußen durch Zaudern“. Und Delbrück fügt dem Sinn nach hinzu: hätte Karl den Geist eines Blüchers gehabt, hätte er den Plan seines Generalstabschefs verworfen und sich auf Napoleon gestürzt. Natürlich trotz Abensberg, Landshut, Eggmühl, Regensburg –alles verlorene Schlachten und Gefechte in Deutschland.
Menge übersah, dass es in der Denkschrift von Wimpffen hieß: dass aufgrund „unserer dermaligen Lage und die Verfassung unserer Armeen“ auf eine Defensivschlacht im Raum Wien hingearbeitet werden sollte. Die Betonung lieg auf „dermalige Lage und Verfassung“. Der Erzherzog führte keine siegreiche, sondern eine geschlagene, durch die verlorenen Schlachten demoralisierte Armee heim und er konnte froh sein, mit dieser Armee einigermaßen geordnet und kampfbereit im Marchfeld bei Wien anzukommen. Wimpffen hätte freilich statt „Zaudern“ auch „hinhaltende Gefechtsführung, abwartende Haltung den künftigen Plänen Napoleons gegenüber“, schreiben können. Von „Zaudern“ konnte übrigens gar keine Rede sein, denn der Marsch auf Wien galt, unter den gegebenen Umständen , als beschlossen und wurde sofort in Angriff genommen. Im übrigen haben sich die meisten höheren Kommandeure ebenfalls gegen einen Donauübergang ausgesprochen. Noch vor der Schlacht bei Aspern leitete der Kaiser die Denkschrift Wimpffens den höheren Befehlshabern zur Stellungnahme zu, wobei er verschwieg, wer der Verfasser der Denkschrift war. Einer der besten Heerführer Erzherzogs Karl, der Reitergeneral Bellegarde, der in beiden Schlachten eine der Angriffskolonnen führte, schrieb: die Denkschrift „ scheint aus der Feder eines Mannes geflossen zu sein, der von der Lage der Dinge und den Umständen der Armee genau unterrichtet ist. Sind die angeführten Data, die mir größtenteils unbekannt sind, richtig, so sind es seine Folgerungen auch und es dürfte schwer sein, seine Gründe zu bestreiten und seine Ansichten zu widerlegen. Aus dem Standpunkt, wo ich mich befinde und bei dem wenigen, was mir von den inneren Verhältnissen und der äusseren Lage bekannt ist, glaube ich... den in dem Memoire aufgestellten Ansichten beitreten zu müssen. „ Die anderen Kommandeure äusserten sich in ähnlichem Sinne. Von einer einsamen Entscheidung Wimpffens kann , schon auf Grund der Befehlsverhältnisse nicht die Rede sein.
In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, auf eine andere "Rückführung" einer österreichischen Armee hinzuweisen: Nach der verlorenen Schlacht von Hohenlinden hatte der, jeden und alles kritisierende Erzherzog Johann die Aufgabe, seine verbliebenen 60.000 Österreicher nach Wien zurückzuführen, von den französischen Truppen nicht bis Wien, sondern nur bis Linz verfolgt: Von den 60.000 Mann kamen bei Wien etwas über 24.000 an; eine Truppe, die vor dem Feind gar nicht mehr zum Stehen kommt und sie könne auch nicht zum Halten gebracht werden - schrieb der Erzherzog Karl an den Kaiser. Auch der Rückzug muss gelernt werden.
Nun war also die Armee des Erzherzogs Karl im Marchfeld bei Wien angekommen. Es galt, Maßnahmen zur geplanten Defensivschlacht zu treffen, die Absichten Napoleons zu erkunden und alle verfügbaren Kräfte der Monarchie heranzuziehen. Wimpffen selbst erkundete das künftige Schlachtfeld und legte dann einen Operationsplan vor.
Karl und seine Mitarbeiter haben als Unterpfand eines Sieges gegen Napoleon das Zusammenziehen aller Kräfte auf dem Marchfeld angesehen, nicht anders als der französische Kaiser. Entsprechende Befehle ergingen an die jeweiligen Befehlshaber, verfasst und verschickt vom Generalstabschef im Auftrag des Oberbefehlshabers. Vielleicht war dies ein Fehler, denn die befehlshabenden Erzherzöge dachten gar nicht daran, den Befehlen nachzukommen.
Der Befehlshaber der Truppen in Wien, Erzherzog Maximilian hat ohne viel Federlesens beschlossen, die Stadt gegen den ausdrücklichen Befehl des Kaisers und des Erzherzogs, aufzugeben. Er ritt als einer der ersten über die Donaubrücke auf das rettende linke Donauufer und sagte dem anwesenden General Hiller den berühmt-berüchtigten Satz: „Ich übergebe hiemit die ganze Boudigue nebst dem Kommando“ und ritt auf Nimmerwiedersehen davon, wobei ungeklärt blieb, was er unter „boudige“(Boutique) meinte. Der General Hiller hatte auf jeden Fall Mühe, die fliehenden Verbände Maximilians zu ordnen und diese ins Marchfeld zu führen. Napoleon saß nun in Wien und quartierte sich wieder einmal in Schönbrunn ein.
Der Erzherzog Ludwig , Kommandeur des V. Korps hat sich krank gemeldet; Karl musste in aller Eile einen neuen Korpskommandeur ernennen.
Ein anderer Erzherzog, Johann, weigerte sich ebenfalls, dem bereits am 28.April erteilten Abmarschbefehl nachzukommen. Er sollte aus Italien kommend mit seinem Korps –über 62.000 Mann nach Norden zurückgehen, sich mit den Truppen des Generals Kolowrat vereinigen und ebenfalls zur Hauptarmee stoßen. Doch der eigensinnige, stets auf den eigenen Ruhm bedachte Erzherzog-Feldherr kümmerte sich nicht um den Befehl seines Bruders und zog sich, statt zur Hauptarmee zu marschieren, nach Ungarn zurück. Der allein gelassene General Kolowrat wurde bei Linz geschlagen, Mitte Juni erlitt auch Johanns dezimierte Truppenverband in Ungarn eine vernichtende Niederlage.
Weitere Kräfte aus Tirol sollten gleichfalls zur Hauptarmee stoßen – auch dieses Vorhaben scheiterte.
Als der Tag von Aspern nahte, standen dem Erzherzog um die 84.ooo Mann und an die 15.000 Kavallerie zur Verfügung. Hätte man den Befehlen Folge geleistet, wären an die 13o.000 Mann und rund 2o.ooo Reiter auf dem Schlachtfeld versammelt gewesen.
Wieder einmal wurde über die Frage debattiert, ob man im Marchfeld ausharren oder nunmehr einen Flussübergang wagen sollte. Der Erzherzog überlegte ernsthaft, den Flussübergang zu wagen, nicht zuletzt aufgrund des Drängens des Kaisers, der aus sicherer Entfernung verlangte, endlich „zu raufen“. Doch der Generalstabschef plädierte nach wie vor für eine Defensivschlacht, für ein Abwarten der Absichten Napoleons.
Sollte Napoleon den Flussübergang vornehmen, sahen seine Dispositionen folgendes vor: Die österreichische Armee hatte in der Gliederung von 5 Kolonnen im Halbkreis vor der Insel Lobau Stellung zu beziehen. Am rechten Flügel die 6. Kolonne unter Feldmarschallleutnant Johann Hiller. Angriffsrichtung: Das Dorf Aspern. Daneben die 2.Kolonne unter Feldmarschallleutnant Bellegarde. Angriffsrichtung :Der Ort Hirschstetten. Die 3. Kolonne unter Feldmarschallleutnant Hohenzollern im Zentrum der österreichischen Aufstellung sollte ebenfalls gegen Aspern vorgehen. Die anschließende 4.Kolonne unter Feldmarschallleutnant Rosenberg hatte als Angriffsrichtung das Dorf Essling .Die 5. Kolonne am äussersten linken Flügel hatte als allgemeine Angriffsrichtung in der Gegend von Großenzersdorf die Donau zu erreichen, um den Ring um die angreifende französische Armee zu schließen. Die Kavallerie unter General der Kavallerie Liechtenstein hatte die Aufgabe, zwischen der 3. und 4.Kolonne Stellung zu beziehen und je nach Lage einzugreifen. (siehe Karte)
Es ist nicht Aufgabe dieses Essays, den Verlauf der zweitägigen blutigen Schlacht in allen Einzelheiten zu schildern. 4o.000 Tote und Verwundete blieben auf dem Schlachtfeld, zwei berühmte französische Soldaten fielen: Der Marschall Jean Lannes und der General St. Hilaire, zwei Helden von Austerlitz. Napoleon räumte das Schlachtfeld und der Erzherzog sah sich als Sieger.
Die zeitgenössischen Kritiker und zahlreiche Historiker der Nachwelt sahen das anders, nuancierter. Weitgehend Einigkeit herrschte darüber, dass es richtig war, abzuwarten und aus der Defensive, aus gut ausgebauten Stellungen heraus zum Angriff überzugehen. Hierfür sprachen die Erfahrungen, die der Erzherzog im Deutschland-Feldzug sammeln konnte. Da war zunächst der Einsatz der Kavallerie von Liechtenstein. Den meisten Attacken war ein Misserfolg beschieden, teilweise kam es zu panikartiger Flucht. Von einem Zusammenwirken mit der Infanterie konnte keine Rede sein. Gegen die Kürassiere des Marschalls Bessieres und der Reiter der Generale Espagne und Lasalle war Liechtensteins Kavallerie hoffnungslos unterlegen. Als sie den abziehenden Franzosen mit einer geballten Reiterattacke den Todesstoß hätte zufügen können, versagte sie vollends.
Die Kommunikation zwischen dem Oberbefehlshaber und seinen Armeekorps-Kommandanten war mangelhaft. Während Napoleon weitgehend auf seinem Gefechtsstandort ausharrte und eine kleine Armee von Adjutanten seine Befehle an die kommandierenden Generäle übermittelte, ritt Erzherzog Karl von einem Korps zum anderen, gab Halt wo die Reihen ins Wanken geraten waren, griff unmittelbar in das Kampfgeschehen ein, ergriff eine Regimentsfahne und führte ein in Auflösung begriffenes Regiment todesmutig in den Kampf - und meisterte zahlreiche Krisen durch persönliche Tapferkeit. Sein Generalstabschef Wimpffen, unter dem wieder einmal ein Pferd getötet wurde, geriet mit französischen Dragonern ins Handgemenge. Da stürzte sich ein Adjutant von Erzherzog Karl, Franz Graf Taaffe mit einigen Grenadieren ins Gemetzel und bewahrte den Generalstabschef vorm sicheren Tod: Taaffe überließ sein Pferd dem General, der nun wieder zum Stab des Generalissimus stoßen konnte.
Obwohl die gesamte Armee in einzelne Korps gegliedert war, wurde diese Art der Gefechtsführung nicht geübt, und sie versagte in den Schlachten in Deutschland vollends. Die einzelnen Korpskommandanten konnten den schlachterprobten Marschällen des französischen Heers nicht das Wasser reichen – die Verlustliste der französischen Kommandeure spricht eine beredte Sprache: Marschall Lannes, die Generäle Espagne, Claparede, St.Hilaire, Mouton,Tharreau,Curial tot oder verwundet. Von den 5 Korpskommandanten des österreichischen Heeres überlebten alle die blutige Schlacht ohne Schrammen.
Hinzukam, dass die Armee zu wenig Munition bereitstellen konnte und demzufolge ständig Munitionsmangel herrschte.
Die Schlacht wurde von der Infanterie gewonnen, die todesverachtend den wütenden Reiterangriffen standhielt, „Masse“ bildete, ihre todbringenden Salven auf kürzeste Entfernung abgab , furchtlos das Bajonett fällte und zum Gegenstoß überging. Die in Linien aufgestellten Bataillonsmassen erinnerten den Erzherzog an die gegen das Osmanische Reich, doch gerade weil die Infanterie diese Taktik seit jeher beherrschte, war sie die Siegerin der Schlacht von Aspern.
Letztlich hat Napoleon die vor der Schlacht immer wieder erörterte Frage, ob Defensivschlacht oder Flussübergang und Angriff, selbst beantwortet, indem er verlautbaren ließ, die Armee sei von „General Danube“ geschlagen worden. In der Tat: wäre es ihm gelungen, seine gesamte Streitmacht auf das nördliche Donauufer zu führen, wäre die Schlacht von Aspern mit großer Wahrscheinlichkeit anders ausgegangen. Doch wenn es Napoleon nicht gelungen war, den Uferwechsel durchzuführen - ein reißendes Hochwasser, Zerstörung der Pontons durch die brennenden Schiffe des Hauptmann Magdeburgs, der im übrigen dem Stabe Wimpffens angehört hat – welches Schicksal hätte die österreichische Armee erlitten, bei der Brückengerät und Pontons bereits Mangelware waren? (Sie verlor allein in der Schlacht bei Eggmühl 56 Pontons) Napoleon, im Verbund mit „General Donau“ wären nicht zu besiegen gewesen.
Die Tatsache, dass in der zweitägigen Schlacht die österreichische Armee zahlenmäßig zu jeder Zeit überlegen war, rief sowohl die zeitgenössischen Kritiker als auch zahlreiche Militärhistoriker auf den Plan. Wenn der Erzherzog am ersten Schlachttag über 84.ooo Mann, rund 14.ooo Reiter und 288 Geschütze verfügte gegenüber 3o.000 Mann Infanterie, 9.000 Reiter Napoleons, wieso konnte er nicht bereits am ersten Tag eine vernichtende Niederlage den Truppen Napoleons zufügen? Selbst am zweiten Tag der Schlacht, als Napoleon über 67.000 Mann und 1o.ooo Reiter und 152 Geschütze verfügte, war er dem Erzherzog gegenüber in allen Waffengattungen immer noch in der Minderzahl – weshalb also, mit der Donau im Rücken, konnte er nicht überrannt werden? Die Antwort fällt einfacher aus als man denken könnte: Napoleons siegreiche Armee war in vielen Bereichen der österreichischen Armee überlegen: Ausrüstung, Schlachterfahrung, taktische und operative Führung, Kommunikation, Altersstruktur der kommandierenden Generäle, Ideologie und Begeisterungsfähigkeit – all diese Faktoren sprachen für die französische Armee, vom Feldherrengenie Napoleons mal abgesehen. - In einer Hinsicht war jedoch die Armee der Monarchie ebenbürtig: in Sachen Tapferkeit. Bereits in den drei Schlachten Abensberg- Eckmühl-Regensburg verlor sie über 9o höhere Offiziere; bis Ende des Feldzugs erhöhte sich diese Zahl auf 43o tote Offiziere.
Einen weiteren Grund wird man in der Persönlichkeitsstruktur des Erzherzogs Karl suchen müssen; er hat bei all seinen Entscheidungen stets das Schicksal der Monarchie vor Augen gehabt, obwohl dies, nicht nur aus heutiger Sicht nicht seine Aufgabe war. Die „Richtlinien“ der Politik lagen bei seinem Bruder, beim Kaiser und seinen Ministern, in Sonderheit beim „Falken“ Stadion. Der Kaiser verbat sich immer wieder die Einmischung in seine Entscheidungskompetenz hinsichtlich Krieg und Frieden, doch der Erzherzog war kein „Komißkopf“, kein serviler Befehlsempfänger, kein Blücher, kein“ Marschall Vorwärts“, kein Befürworter eines „Endsiegs“. Sein Zaudern oder gar Befehlsverweigerung dem Kaiser gegenüber war stets von der Sorge getragen, die von ihm geführte Armee vor der Vernichtung zu bewahren, damit die Monarchie, das Haus Habsburg keinen Schaden nimmt, nicht schutzlos gegenüber dem korsischen „Usurpator“ ausgeliefert ist. Eine solche Haltung musste auf Dauer unweigerlich zu ernsten Konflikten zwischen ihm und dem Kaiser führen, schließlich kam es aufgrund der Eigenmächtigkeit des Erzherzogs zum endgültigen Bruch, als er gegen den Willen des Kaisers nach der verlorenen Schlacht von Wagram einen Waffenstillstand abschloss. Noch war es aber nicht so weit, denn Napoleon hat zwar eine Schlacht, nicht aber den Felzug verloren.
So ungewöhnlich es auch erscheinen mag, nach einer siegreichen Schlacht dem Gegner Friedensverhandlungen anzubieten, genau dies ist nach Aspern geschehen. Der Erzherzog ließ, auch in diesem Fall ohne Einwilligung des Kaisers, sondieren, musste aber feststellen, dass Napoleon nicht daran dachte, Frieden zu schließen. Der Generalissimus Karl wusste genau, welche Bedeutung der Erfolg von Aspern hatte. Er schrieb in einem Brief :“Seit der Schlacht von Regensburg und besonders seit der Schlacht von Aspern predige ich unausgesetzt: Frieden, Frieden, Frieden. Lieber etwas opfern als alles verlieren. Die Schlacht von Aspern hat ihn (Napoleon) milder gemacht, man benutze dies Glück, welches wir schwerlich ein zweites Mal haben werden“. Kein Spur von Heroisierung, Hochmut, Siegesgewissheit, Überheblichkeit, gar Geringschätzung des Gegners. Im Gegenteil: Realismus pur. Wie beurteilte der Preusse Clausewitz diese Strategie von Karl?" Der Erzherzog habe nie die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte als das eigentliche Ziel der Kriegführung vor Augen gehabt!" Und die Geschichte gab dem Generalissimus recht.
Doch weder der Kaiser, geschweige denn seine Minister wollten den Frieden. Die „Falken“, die skrupellosen Kriegstreiber, großspurige Politiker obsiegten und so begann man mit der Vorbereitung der alles entscheidenden zweiten Schlacht. Und als diese Schlacht von Wagram zu Ende ging, lagen 13.ooo Soldaten tot auf dem Schlachtfeld. Allein die Zahl der Toten berechtigen zu der Frage, ob es nicht vernünftiger gewesen wäre, mit Napoleon unter allen Umständen Frieden zu schließen, vom territorialen Verlust und der Demütigung Österreich ganz zu schweigen.
Standbild des Feldmarschalls Maximilian von Wimpffen von Adam Rammelmayer auf dem Heldenberg in
Wetzdorf
Adam Rammelmayer (1807-1887) war ein österreichischer Bildhauer, studierte in Mailand, war Stipendiat der Accademia di San Luca, und war lange Jahre hindurch Mitglied der Wiener Akademie.
Er hielt sich mehrere Jahre zu Studien in Italien auf.
Gedenktafel in Aderklaa
(Photo Robert Ouvrard)
Das bekannte Gemälde der Schlacht von Aspern von Johann Krafft im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum veranschaulicht, welche Bedeutung man ganz allgemein dem Generalstab beimaß: nämlich gar keine. Neben dem Erzherzog sind die 5 Korpskommandanten in ihren blütenweißen Uniformen zu sehen,nirgendwo Dreck, Blut ,Spuren eines Gemetzels. Der Generalstabschef wird von einem Pferdekopf sorgfältig verdeckt; obwohl ihm, laut EH Karl, die "erste Grundlage des Sieges gebührt". Hat der Erzherzog das Goethe-Wort aus Faust II gekannt:? " Laß du den Generalstab sorgen,und der Feldmarschall ist geborgen". Wahrscheinlich. Aber es war auch seine ehrliche Meinung.Auch der Artilleriedriektor Smola, der wesentlich mehr zum Sieg beigetragen hat als etwa der Fürst Orsini-Rosenberg wird hinter einem Pferdekopf versteckt,wobei offensichtlich ist, dass der Maler (oder sein Gehilfe) bei seiner Ausbildung die Stunde "Tieranatomie" mit Sicherheit geschwänzt hat.